Ich schaue einen alten Pumuckl-Film an. In der Fernsehfassung geht Gustl Bayrhammer als Meister Eder gefühlt ewig am Weiher spazieren. Da passiert anscheinend nichts! Aber was sich im Vergleich zu heutigen kurzen Schnitten erst sehr langsam anfühlt, erweist sich im Verlauf des Films als angenehm ruhig: Ich habe auf einmal Zeit zum Schauen, kann viele Details wahrnehmen und an Stellen lachen, die ich sonst übersehen hätte.
In unserer schnelllebigen Welt ist Hinschauen eine Herausforderung. Flotte Bildschnitte in Filmen und kurze Nachrichten in sozialen Medien zwingen uns, in Sekundenbruchteilen Eindrücke aufzunehmen. Unser Auge rast über Bildschirme, Texte und Gesichter – doch wie oft entgeht uns das Wesentliche?
Verlangsamung kann helfen. Wer bewusst innehält, sieht einfach mehr. Ein Spaziergang ohne Smartphone, eine Mahlzeit in Stille, ein bewusstes Betrachten eines Bildes – all das kann unsere Wahrnehmung schärfen. In der Fastenzeit verhüllen viele Kirchen ihre Altarbilder. Das mag irritieren oder karg wirken. Doch in dieser Zurückhaltung liegt eine Einladung: Wenn zu Ostern die verhüllten Bilder enthüllt werden, geht es um ein frisches Hinschauen, ein Sehen mit neuen Augen.
Das lässt sich auch auf das tägliche Leben übertragen. Wo ist es wichtig, genau hinzuschauen? In Politik und Gesellschaft wird viel gesagt – doch stimmen die Worte mit der Wahrheit und mit den Taten überein? Und wie oft verzerren Vorurteile unseren Blick – etwa auf Geflüchtete, sodass wir nicht mehr erkennen, was sie alles durchgemacht haben?
Hinschauen könnte heißen: sich Zeit nehmen, Fragen stellen und nicht vorschnell urteilen. Es könnte bedeuten, hinter die Oberfläche zu blicken – in der Kunst, im Glauben und im menschlichen Miteinander. Die Fastenzeit bietet eine gute Gelegenheit, das bewusste Hinschauen neu einzuüben.
Auch in scheinbar belanglosen Momenten gibt es viel zu entdecken. Ein Kind, das verträumt eine Ameise beobachtet. Ein alter Mann, der auf einer Parkbank lächelnd in die Ferne schaut. Die Sonne, die einen Raum in goldenes Licht taucht. Diese Art von stiller Schönheit entgeht uns, wenn wir uns von Eile leiten lassen. In der Kommunikation verraten ein flüchtiges Lächeln, eine nachdenkliche Stirnfalte, ein leises Seufzen viel über die Gefühlslage eines Menschen. Wer bewusst hinsieht, kann feine Nuancen wahrnehmen und so empathischer auf andere reagieren. Es kann aber auch unbequem sein: Der Obdachlose an der U-Bahn, die Müllberge in der Natur, die traurigen Augen eines Kindes, das sich übersehen fühlt. Solche Bilder rufen uns zur Verantwortung und bieten die Chance, zu handeln, Mitgefühl zu zeigen und die Welt ein kleines Stück besser zu machen.
Übrigens hat Pumuckl auch ein gutes Auge zum Beobachten – besonders, wenn es darum geht, Unfug zu treiben. Letzteres brauchen wir nicht nachahmen, aber den humorvollen Blick durchaus. Denn wer mit einem Augenzwinkern durchs Leben geht, entdeckt nicht nur die ernsten, sondern auch die heiteren Seiten des Alltags.